Was ist ein seelisches Trauma?
…und warum Heilung wichtig ist
Wir Menschen sind manchmal seltsam. Unser Umgang mit seelischen Traumata ist oft schwierig. Entweder tun wir so, als wären sie gar nicht da und überspielen sie auf unterschiedliche Weise. Manchmal aber dramatisieren wir und machen sie verantwortlich für unser Schicksal. Beide genannten Varianten sind ungesund. Wie gut wäre es doch, könnten wir auf gesunde Weise mit ihnen umgehen. Denn zwei Dinge sind klar: Wir alle haben das eine oder andere seelische Trauma erlebt und auch heilen können. Seelische Traumata sind Teil unseres Lebens. Ebenso wie ein körperliches Trauma geht es um eine möglichst frühzeitige und wirksame Heilung. Was ist ein seelisches Trauma? In diesem Blogartikel gehe ich dieser Frage nach und möchte Mut machen zu einem Umgang „auf Augenhöhe“:
Diese Themen findest du in diesem Blogartikel
Was ist ein seelisches Trauma?
Der aus dem griechischen stammende Begriff „Trauma“ (τραύμα) bedeutet „Wunde“, bezogen auf den Bereich Psychologie geht es um eine „seelische Wunde“. Ein seelisches Trauma ist somit eine tiefgreifende, möglicherweise sogar lebensbedrohliche seelische Verletzung. Ist unser Leben bedroht, sind wir in Alarmbereitschaft und in jeglicher Hinsicht auf die Gefahr fokussiert und verletzlich. Es geht um Rettung. In der Psychologie werden drei lebensrettende Reaktionen beschrieben. Der Psychologe Walter Cannon sprach 1915 zunächst von zwei Reaktionen, „fight or flight – Kampf oder Flucht. 1988 wurde durch den britischen Psychologen Jeffrey Alan Gray eine weitere Sequenz beschrieben, die sogenannte Freeze – Starre – Phase. (Wikipedia – Kampf- oder Flucht-Reaktion).
Welche dieser drei Reaktionen im konkreten Fall sinnvoll ist bzw. angewandt wird, kann sehr unterschiedlich sein und hängt auch von der Persönlichkeit ab. Der Angriff ist sinnvoll, wenn eine Chance besteht, überlegen zu sein. Die Flucht hingegen, wenn die Situation in gewisser Weise als unterlegen empfunden wird und die Starre, wenn weder das eine noch das andere eine Chance auf Rettung erwarten lässt. In so einem Akutfall ist die Vernetzung des emotionalen und des kognitiven Gehirns unterbrochen. Wir denken nicht also einfach mal darüber nach, was denn jetzt mal so das Richtige wäre, sondern wir handeln unwillkürlich.
Menschen können auf ähnliche Ereignisse sehr unterschiedlich reagieren. Nicht jeder, der ein traumatisches Ereignis erlebt, entwickelt daher zwingend ein seelisches Trauma. Menschen verfügen über Selbstheilungskräfte und haben ein unterschiedlich ausgeprägtes seelisches Immunsystem. Und so erklärt es sich, dass einige Menschen ein Ereignis besser verarbeiten und gesünder damit umgehen können, während andere möglicherweise schwerwiegende Folgen durchleben.
Welche Folgen kann ein nicht geheiltes seelisches Trauma haben?
Was passiert, wenn ein Mensch ein seelisches Trauma nicht gesund verarbeitet, wenn also die Wunde nicht heilt? Nicht verarbeitete, abgespaltene Erlebnisse werden lückenhaft, vereinzelt und nicht als Ganzes gespeichert, manchmal auch komplett ausgeblendet. Das kann dazu führen, dass in völlig unerwarteten Momenten (Schlüsselreize) neuronale Verknüpfungen ausgelöst werden, die zunächst nicht eingeordnet werden können, sogenannte „Flashbacks“. Diese sind unwillkürlich, sind also nicht willentlich gesteuert und nehmen je nach Intensität emotional unterschiedliche Ausmaße an. Flashback weisen darauf hin, dass irgendetwas noch nicht stimmt, die Verarbeitung bestimmter Erlebnisse noch nicht in gesunder Weise stattgefunden hat.
Wird ein traumatisches Erlebnis nicht verarbeitet, besteht die Gefahr von psychischen Folgestörungen (posttraumatischen Belastungsstörungen), die im Verlauf an Intensität gewinnen können und sich auf sämtliche Alltagsbereiche auswirken können.
Mögliche Symptome können beispielsweise sein:
Schlaflosigkeit, innere Unruhe, Reizbarkeit, Ängste, Zwänge, Essstörungen, psychosomatische Erkrankungen, Nikotinmissbrauch, Suizidalität, uvm.
Hinweis: Grundsätzlich rate ich von Selbstdiagnosen ab. Sämtliche Symptome können natürlich auch andere körperliche, geistige oder seelische Ursachen haben. Eine professionelle Abklärung ist daher wichtig.
Gesunder Umgang mit einem seelischen Trauma: hinschauen, hinfühlen, heilen
Ein gesunder Umgang mit einem seelischen Trauma oder beispielsweise der ärztlich ausgestellten Diagnose PTBS kann sehr unterschiedlich sein. Ist eine seelische Wunde noch nicht ausreichend versorgt, rufen Körper, Seele oder Geist in verschiedner Weise nach Hilfe. Welche Strategie auch immer, die wichtigste Voraussetzung ist, diese Wunde wichtig zu nehmen, sich also selbst wichtig zu nehmen. Letztendlich sind all die oben beschriebenen Symptome ein Aufmerksam-Machen auf irgendetwas, was nicht okay ist.
Ein seelisches Trauma will also wichtig genommen werden, sonst wird es chronisch und zieht Kreise. Sich darüber klar zu werden und sich zu trauen, zu erlauben, diese Symptome wichtig zu nehmen, ist meiner Überzeugung nach der entscheidende Schritt. Vielfach erfolgt leider aber etwas ganz anderes. Werden Symptome nämlich ignoriert, missachtet, verurteilt oder verdrängt, gerät der Mensch in eine Schieflage. Symptome beeinträchtigen den Alltag, das Leben gestaltet sich deutlich schwieriger. Es läuft nicht rund. Das ist ungesund.
Wir haben nichts Wertvolleres als uns selbst und wir brauchen uns für alle Herausforderungen, die uns das Leben bietet. Daher ist Hinschauen, Hinfühlen das Wichtigste und Gesündeste, was wir tun können. Auch lange später ist der Mensch in der Lage, Erlebnisse anders einzuordnen und neu abzuspeichern.
Da ein seelisches Trauma häufig Auswirkungen hat auf Körper, Seele UND Geist, ist es in der Regel hilfreich, sich in all diesen drei Bereichen zu stärken.
Welche Chancen liegen in der Traumabewältigung?
Grundsätzlich gilt: Je früher, desto leichter. Je länger eine Wundheilung dauert, desto größer ist auch die Gefahr, dass weitere Folgen daraus entstehen. Der richtige Zeitpunkt ist somit immer „Jetzt“.
Mit Zeitpunkt meine ich aber nicht den Beginn einer Therapie, sondern ich meine damit die Entscheidung, sich für sich selbst und die Heilung stark zu machen. Eine Vielzahl von Therapieformen wie beispielsweise EMDR können diese Bewältigung professionell begleiten.
Eine große Chance liegt also in der Reduzierung der Symptome, beispielsweise wieder besser schlafen zu können und damit insgesamt leistungsstärker zu sein. Des Weiteren besteht die Möglichkeit für einen gesünderen Umgang mit den Emotionen. Verbotene Emotionen bekommen einen anderen Stellenwert und können (wieder) gelebt werden. Da macht innerlich freier. Wer ein traumatisches Ereignis bewältigt, wächst.
Verarbeitung heißt nicht vergessen, sondern die Ereignisse anders einzuordnen. Dadurch verlieren ungesunde Auswirkungen ihre Macht. Das Leben wird sozusagen wieder in die Hand genommen. Vielfach entstehen daraus sogar besondere stärken und Fähigkeiten, psychologisch wird dieses als Posttraumatisches Wachstum bezeichnet. Das chinesische Schriftzeichen für Krise beinhaltet im Übrigen für Krise 2 Aspekte: Gefahr + Chance.
Fazit: Go for it!
Ein seelisches Trauma führt nicht zwangsläufig zu Folgestörungen bzw. einer Traumatisierung. Wenn aber Symptome das Leben beeinträchtigen, ist eine möglichst frühzeitige (Be-)Handlung wichtig und richtig, um – ähnlich wie bei einem körperlichen Trauma – eine Chronifizierung zu verhindern. Entscheidend ist die eigene Erlaubnis, sich für sich und die eigene Gesundheit einzusetzen. Eine Traumabewältigung bietet eine Vielzahl an Chancen, daraus gestärkt hervorzugehen.
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