Gehen oder Bleiben? Mein Hin und Her mit Facebook, Instagram, LinkedIn & Co
Was mache ich mit den Sozialen Medien? Was macht Social Media mit mir?
Schon seit einigen Wochen, nein Monaten, hadere ich mit den sozialen Medien. Soll ich gehen oder bleiben? Mein Hin und Her mit Facebook, Instagram, LinkedIn & Co hat in der letzten Zeit sehr in mir gearbeitet.
Die massive Flut an Informationen empfinde ich oft überfordernd. Augenscheinlich bleibt zunächst nichts hängen und trotzdem fühle ich mich so manches Mal „ungesund beeinflusst“, wenn ich einige Zeit online bin. Nach vielen Überlegungen und sogar kurzzeitiger Löschung meiner Instagram und Facebook-Accounts, habe ich mich nun ganz bewusst dafür entschieden zu bleiben, auf meine Weise.
Wie es zu dieser Entscheidung kam und wie ich ab jetzt anders mit den sozialen Medien umgehe, beschreibe ich in diesem Artikel. Inspiriert zu dieser inneren Auseinandersetzung hat mich der Artikel Nie wieder Meta? Wie du eine bewusste Wahl für deine Content-Kanäle triffst von Bianca Fritz.
Diese Themen findest du in diesem Blogartikel
5 Gründe, Sozial Media zu verlassen

1. Zu viele Informationen in zu kurzer Zeit
Das Scrollen durch die Beiträge ist eine wahre Herausforderung für das Gehirn. Das Springen zwischen den Themen belastet nicht nur die Aufmerksamkeitsstärke, sondern auch die Aufmerksamkeitslänge. Unser Gehirn gewöhnt sich daran, nach wenigen Sekunden oder Minuten mit einem neuen Thema konfrontiert zu werden, verlernt andererseits die Konzentrationsfähigkeit über einen längeren Zeitraum. Ungefragt und ungefiltert kommen Worte, Bilder und Audios, die eigentlich von unserem Gehirn eingeordnet und gefiltert werden wollen. Aber nicht immer gelingt das.
2. Zeit mit Einflüssen von Außen minimiert Zeit mit Einflüssen von Innen
Soziale Medien sind nicht nur Zeitfresser. Sie beeinflussen unsere Hirnaktivität insgesamt.
Mit kurzen, emotionalen Neuigkeiten befriedigen wir unser Bedürfnis nach Neuigkeiten und verlieren gleichzeitig das Gefühl für Raum und Zeit. Es gibt wenige Orte, an denen die Zeit so schnell vergeht wie im Sozial-Media-Netz. Das passiert unbewusst.
Wieviel Zeit verbringen wir eigentlich so bei Facebook & Co?

In Deutschland verbringen Menschen durchschnittlich 1 Stunde und 29 Minuten pro Tag in sozialen Medien. Dieser Wert variiert jedoch stark je nach Altersgruppe:
Jüngere Nutzer (18-24 Jahre) verbringen oft deutlich mehr Zeit, mit einem wöchentlichen Durchschnitt von über 6 Stunden. Ein kleiner Anteil dieser Altersgruppe verbringt sogar mehr als 35 Stunden pro Woche in sozialen Netzwerken.
Diese Zahlen zeigen, wie unterschiedlich der Konsum je nach Lebensphase und Gewohnheit sein kann.
Jüngere Nutzer werden somit also zeitlich länger im Netz beeinflusst als von Lehrkräften in der Schule. Es kann eigentlich niemanden geben, der das nicht bedenklich findet. Aber auch unabhängig von der Anzahl der Stunden, die der Mensch täglich „online“ verbringt, ist das Zeit, die auch unsere eigene Kreativität, Denken und Selbstwahrnehmung ausbremst.
3. Manipulation durch Algorithmen
Zwar ist bekannt, dass sich die sozialen Medien mit Algorithmen auf unsere Denkweise, Vorlieben und Bedürfnisse einstellen können. Während des Scrollens merken wir das aber zumeist nicht. Menschen beeinflussen, ob sie das wollen, wissen oder nicht. Vielfach läuft die Beeinflussung unbewusst ab, auch wenn es uns manchmal auffällt, etwa dann, wenn wir über etwas gesprochen haben und kurze Zeit später eine passende Werbeanzeige dazu erscheint.
Um jeden Nutzer baut sich eine Bubble auf, die den Bedürfnissen, Interessen und Weltanschauungen mit zunehmender Präzision gerecht werden wird. Wird aber das meinem Wert nach Selbstbestimmung gerecht? Wohl nicht! So sehr, wie ich sehr dafür kämpfe, Menschen nicht in Schubladen zu stecken, sondern Neugier und Interesse zu bewahren, missfällt es mir, auch in den sozialen Medien in Schubladen gesteckt zu werden. Ebenso beunruhigt es mich, dass es allen anderen Nutzern ja genauso geht. Unser Gehirn differenziert nicht, zwischen eigens entwickelten Denkweisen und Manipulationen. Wir können es nicht unterscheiden.
4. Emotionale Beiträge kommen schneller an als sachliche Informationen
Storytelling, Metaphern und vor allem Emotionen bringen unsere Gehirnkanäle in Fahrt. Das ist auch schon lange bei Social Media angekommen. Mir ist es zugleich aber zuwider, in gleicher Weise mitzumischen. Ich weiß um die Möglichkeiten der Manipulation und widersetze mich zugleich ungefragten Manipulationen ohne vorherige Erlaubnis. In Coaching und Psychotherapie mache ich nichts ohne Erlaubnis. Die Fülle an emotionalen Beiträgen greifen mich an in meiner ethischen Grundhaltung, sie rütteln an meinem inneren Gerüst. Sachliche Informationen geraten zunehmend in den Hintergrund und zugleich führt eine Dauerbeschallung von Emotionen zu einer emotionalen Abstumpfung. Das ist eine meiner Ansicht nach fatale Entwicklung. Beispielsweise hat der Begriff „Remigration“ noch vor einem Jahr zu bundesweiter Aufruhr geführt. 12 Monate später ist er mit einer erschreckenden Selbstverständlichkeit im bei der AfD verankert.
5. Wahrheit verliert Wert
Als Marc Zuckerberg Anfang des Jahres strategische Änderungen für Meta verkündete, traute ich zunächst meinen Ohren nicht. Dazu gehörte beispielsweise die Abschaffung des Faktenprüfungsprogramms in den USA. Gleichzeitig kündigte Zuckerberg eine stärkere Ausrichtung auf „Meinungsfreiheit“ an, insbesondere im Hinblick auf die neuen politischen Gegebenheiten in den USA. Diese Maßnahmen signalisieren einen bedeutenden Kurswechsel. Ein Freifahrschein für Fake News widerspricht nun wirklich vollends meinem eigenen Anspruch nach dem Wahrheitsgehalt meiner Aussagen. Die Vorstellung, dass nicht nur ich, sondern Menschen insgesamt bewusst und gezielt manipuliert werden, ist beängstigend. Wer wird künftig bestimmen, was Menschen künftig glauben werden? Wie wird sich das auf unser Verhalten auswirken? Insbesondere Menschen, die besonders sicher sind, dass sie niemals auf Fake News hereinfallen, sind besonders leicht hinters Licht zu führen.
Wo viel Schatten ist, ist ja bekanntlich auch Licht.
Es gibt Gründe, warum ich Social Media vorerst nicht den Rücken zukehren werde:
5 Gründe, bei Social Media zu bleiben

1. Selbstwahrnehmung, Selbstschutz, Selbstwirksamkeit: Das sind doch meine Kernthemen!
Vor einigen Tagen wurde es mir so seltsam neu bewusst: Noch nie waren meine Kernthemen rund um die seelische Gesundheit so sehr in Gefahr wie jetzt. Da darf ich doch gar nicht gehen. Dann muss ich bleiben und meine Themen lauter machen.
2. Trainingsfeld für manipulativen Widerstand
Nie konnten wir uns mehr mit den eigenen Einflüssen der Manipulation befassen, als das aktuell der Fall ist. Wenn ich mich also aus dem Staub machen würde, würde ich ganz bestimmt weniger mit Social-Media-Bullshit konfrontiert, kann aber auch nicht auf dem Laufenden bleiben und vor allem: nicht dagegenhalten! Gerade jetzt ist es aber doch so wichtig, ein Gegengewicht zu sein und auch andere darin zu bestärken, nicht in diese Manipulationsstarre zu fallen. Nie war es so wichtig, sich zu positionieren.
3. Ein positives Mindset allein reicht nicht für eine gesunde Entwicklung
Für eine gesunde Entwicklung, ob gesellschaftlich oder individuell, ist es wichtig, auch negative Aspekte wahrzunehmen und mit ihnen umgehen zu lernen. Die Flucht in eine „Positive-Mindset-Bubble“ war und ist für mich noch nie eine Option gewesen und ohnehin nicht mit meinem Thema Traumaprävention vereinbar. Manifestation hin oder her, ich möchte auf dem Laufendenden bleiben, auch wenn ich das künftig mit einer größeren Portion Selbstfürsorge und einer anderen Strategie machen werde.
4. Menschen erreichen, die ich mit meiner Denkweise bestärken kann
Es wird immer wichtiger, Selbstwahrnehmung zu stärken, um seelisch gesund zu bleiben. Je mehr äußere Einflüsse, desto mehr sind wir doch genau darauf angewiesen. Ich werde dranbleiben genau darauf aufmerksam zu machen und meine Angebote danach ausrichten. Meine Angebote können ja schließlich nur angenommen werden, solange die eigene Potenzialentfaltung, die eigenen Gedanken, kritische Auseinandersetzung möglich ist. Nur ein demokratisches Grundverständnis macht einen gesunden Freigeist möglich. Dafür werde ich mich weiterhin da einsetzen, wo Menschen Zeit verbringen. Social Media gehört dazu.
5. Die Fülle an positiven, Kraft gebenden und stärkenden Kanälen
Neben all den beschriebenen „schwierigen Beiträgen“ gibt es sie, diese vielen Menschen, Inhalte und Ereignisse, die so wertvoll sind und Kraft und Energie geben. Diese Seiten gezielt zu filtern und zu stärken ist eben auch eine Form, Haltung zu zeigen. Wie stark auch immer der Gegenwind durch Fake News werden mag. Ich bleibe und möchte diejenigen und das stärken, das gesunde Einflüsse vorantreibt.
Ganz bestimmt wird mir das nicht immer gelingen. Manchmal werde ich bestimmt auch missverstanden oder ich bewirke nicht das, was ich beabsichtigt habe, aber ich bleibe in Kontakt mit der Social-Media-Welt. Ich habe mich entschieden für einen bewussteren Umgang anstelle eines radikalen Verzichts.
Was ich ab jetzt anders machen werde
Begrenzte Social-Media-Zeiten
Ich verbringe weniger Zeit in den sozialen Medien und vermeide diese vor allem am Abend. Ungesunde Informationen kann ich viel leichter am Tag und bei Tageslicht verarbeiten.
Löschung meines Facebook Business Accounts
Meinen Facebook Business Account habe ich gelöscht. Meinen Facebook-Account behalte ich zunächst aus zwei Gründen. Ich kann erstens somit Teilnehmerin von Facebook-Gruppen bleiben und habe zweitens Zugriff auf andere Business-Accounts und kann diese im Hintergrund steuern.
Planen und Filtern meiner Business-Posts bei LinkedIn
Meine beruflichen Themen werde ich ausschließlich bei LinkedIn posten. Da sehe ich sie am besten aufgehoben und wahrgenommen. Hin und wieder mag ich vielleicht bei Instagram einen Business-Post veröffentlichen, aber darum geht es mir dort (aktuell) nicht.
Persönliche und manchmal auch politische Posts bei Facebook & Co
Viele Menschen vermeiden politische Äußerungen bei Social Media, sehr häufig aus taktischen Gründen. Wer will potenzielle Kunden schließlich mit Äußerungen irritieren, die nicht zum eigentlichen Business passen? Ich sehe das inzwischen anders und halte es sogar für sehr gefährlich, sich nicht zu äußern. Demokratie braucht den Austausch. Der sollte aber nicht denen überlassen bleiben, die die Demokratie gefährden. Politisches Schweigen hat sich im Social-Media-Dschungel als eine der größten Gefahren für unsere Demokratie erwiesen. Wenn wir uns nicht darin üben, Kompromissfähigkeit, Diskussionsbereitschaft und Fairness zu zeigen, wird das Zerstörerische weiterhin Fahrt aufnehmen, im Netz und im echten Leben. Daher ist es so wichtig Kommunikationskultur und Themen ins Netz zu bringen, die Menschen verbindet, nicht spaltet.
Kleine Anmerkung zum Schluss: Anders als zumeist üblich, habe an diesem Artikel mehrere Tage gearbeitet. Ich habe geändert, gelöscht, ergänzt. Mir ist sehr klar, dass das hier auch nur eine Momentaufnahme ist und sich meine Haltung ganz bestimmt weiterentwickeln wird. Vielleicht wird es demnächst ja ein neues „Social Media Netz“ geben, in denen sich meine Bedürfnisse nach einem respektvollen Umgang und Konstruktivität stärker widerspiegeln. Vielleicht wird Social Media aber auch für mich so unerträglich, dass ich andere Wege finde, meine Themen weiterzugeben.
Wie geht es dir mit Social Media? Wirst du gehen oder bleiben?
Melde dich hier an für meinen Newsletter
– Impulse für dein Postfach

2 Kommentare
Liebe Marion,
Danke für das Teilen deiner Gedanken – sie bewegen mich selbst auch seit einigen Wochen. XING zu verlassen ist keine große Sache (da bin ich nie richtig angekommen). Die Facebook-Seite hat für mich noch nie richtig funktioniert. Also auch kein großer Schmerz.
Aber dann bleiben immer noch Instagram und LI. Ich kann mich nicht durchringen, eines bleiben zu lassen. Vielleicht kommt das noch. Was ich definitiv weiß: Mein buntbrief und auch mein Blog werden bleiben. Alles andere ist eher Beiwerk.
Ich habe viele interessante Kontakte über die sozialen Netzwerke gewonnen und viel über Challenges gelernt. Allein das ist Grund genug, nicht zu gehen. Mal sehen, wie sich die Dinge weiterentwickeln.
Herzliche Grüße, Korina
Liebe Marion, ich habe deinen Beitrag über den von Gesa Oldenkamp geteilten Link gefunden und bin sehr dankbar dafür. Du sprichst die Punkte an, die mich auch bewegen – die Manipulation, die Bubble, die Abstumpfung durch Gewöhnung. Deine Entscheidung und vor allem die Gründe für deine Entscheidung, auf SM zu bleiben, haben mich überrascht, im positiven Sinne und dazu angeregt, meine eigene Entscheidung zu gehen, noch einmal zu überdenken. Danke für diese Anregung, noch einmal anders hinzuschauen. Herzliche Grüße Sylvia