Wellen gibt es nicht
Gastbeitrag zu meiner Blogparade KrisenPower von Wilfred Tak
Nachträglich zu meiner Blogparade freue ich mich sehr über den folgenden Text, den mir Wilfred Tak, selbstständiger Lokführer, Prüfer für Eisenbahnfahrzeuge, Coach und Freund, vor wenigen Tagen zugeschickt hat. „Wellen gibt es nicht“ ist sein Beitrag zu meiner Blogparade KrisenPower. Hier beschreibt Wilfred, was er beim Kajakfahren über gesundes Krisenmanagement gelernt hat:
Wellen gibt es nicht
Vor einiger Zeit, als es mir nicht so gut ging, wurde mir klar, dass ich eine Aktivität finden musste, die sowohl „ganz für mich“ war als auch mir die dringend benötigte Entspannung brachte. Wenig später fuhr ich eines Tages mit einem gebrauchten Kajak auf dem Dach meines Autos nach Hause. Mein Abenteuer konnte beginnen.
Etwa ein Jahr später dachte ich, ich hätte das Kajakfahren einigermaßen im Griff. In dieser Zeit war ich nur einmal umgekippt, und das auch nur beim Einsteigen (in der Nähe des PEC-Fuβballstadions in Zwolle, Sie können sich vorstellen, wie viele Zuschauer ich hatte, als ich mit einer beeindruckenden Schicht Wasserlinsen bedeckt wieder auftauchte…). Also dachte ich mir, ich könnte ja mal ein paar Schritte auf größerem Wasser wagen, buchte einen schönen Naturcampingplatz an der Maas und machte mich mit Kajak, Campingausrüstung und guter Laune auf den Weg.
Leider war ich nicht der einzige, der auf dem Wasser war. Normalerweise genieße ich beim Kajakfahren immer die Ruhe, aber dieses Mal war es alles andere als das. Auch viele Fahrer von Schnellbooten dachten, es sei schönes Wetter, um eine Runde zu drehen (sprich: Tiefflug). Bald wurden mir die doch überraschend hohen Wellen eines so kleinen Schnellbootes zum Verhängnis: Ich hing kopfüber, mitten auf der Maas, unter meinem Kajak im Wasser.
In diesem Moment wurde mir klar, dass ich noch an meiner Technik „feilen“ musste. Hustend und keuchend tauche ich auf. Als ich wieder an Land und in trockenen Kleidern war, meldete ich mich bei einem lokalen Kajakclub in meiner Heimatstadt an. Und dort lernte ich Ausbilder M. kennen.
Stellen Sie sich das vor: ein freundlicher, grauhaariger Mann Mitte fünfzig. Bart, Hut auf, ruhige und freundliche Stimme. Alles in allem eine sehr vertrauensvolle Persönlichkeit. Das war Kajaklehrer M. Und Kajaklehrer M. verbrachte ein paar Abende mit mir, um meine Kenntnisse und Erfahrungen zu überprüfen und mir neue Dinge beizubringen.
Wenn man in einem kleinen, wackeligen, schmalen Kajak sitzt, sind andere Boote ziemlich beeindruckend. Vor allem die Wellen, die sie erzeugen. Deshalb zog ich es vor, diese ein wenig zu vermeiden. Aber Ausbilder M. war scharfsinnig. Ihm ist nichts entgangen… Und bei der ersten Barke, die mit einer 2 Meter hohen Wasserwand auf mich zustürmte, sagte M.: „Gleich schließt du die Augen und lässt die Wellen unter dir vorbeiziehen. Du tust nichts. Du korrigierst nicht. Und wenn es dir schwerfällt, aufrecht zu bleiben, denkst du einfach: ‚Wellen gibt es nicht‘.“
Tja. Was ist Weisheit? Damit habe ich mich außerhalb meiner Komfortzone bewegt. Nicht nur das, sondern auch gegen alle Regeln des gesunden Menschenverstands. Aber Ausbilder M. war sehr hartnäckig. Wenn er sagte, dass es machbar ist, dann ist es doch sicher machbar? Als er mir also sagte, ich solle die Augen schließen, tat ich das. Und M. zählte runter, als die Wellen näher kamen. Bei M.s „Hier kommen sie!“ spürte ich, wie ich mit meinem Kajak hochgehoben wurde. Und wieder hinuntergeworfen. Und gleichzeitig kippte ich nach links und dann wieder nach rechts. Ich fühlte mich mit geschlossenen Augen wie ein Korken in einer Spülschüssel mit einem Mixer darin. Ich fühlte mich machtlos. Und intensiv war es.Und dann, so plötzlich wie es begonnen hatte, war auch das Schütteln wieder vorbei. Und ich saß immer noch aufrecht in meinem Kajak, das auch (wieder!) aufrecht im Wasser lag. Ich war trocken geblieben. Denn ich hatte mich nicht gegen die Wellen gewehrt. Ich hatte sie unter mich gleiten lassen. Und so leicht, wie sie gekommen waren, waren sie auch wieder gegangen.
Und als ich auf das hohe Heck des imposanten Frachters blickte, wurde mir die Metapher mit dem Leben plötzlich klar. Akzeptiere die Wellen in deinem Leben. Du kannst sie nicht bekämpfen. Du kannst ihnen widerstehen, auf die Gefahr hin, dass du untergehst. Aber wenn du sie akzeptierst, sie resigniert unter dich gleiten lässt, egal wie verletzlich es sich anfühlt, werden sich die Wellen ganz natürlich zurückbilden. Und wenn ich mich wieder einmal auf den Wellen des Lebens hin und her geschüttelt fühle, erinnere ich mich dankbar an Ausbilder M: „Wellen gibt es nicht…“
Fotos: Wilfred Tak
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