Traumaprävention für Lokführer
4 Gründe, warum sich Lokführer auf Personenunfälle und Schienensuizid vorbereiten können und sollen
Das Wort Traumaprävention steht nicht im Duden. Ich verwende es trotzdem, weil sich das ändern muss. Wenn wir an Traumata denken, dann kommen uns zunächst Begriffe wie Nachsorge, Heilung oder Behandlung in den Sinn – aber Prävention?
Kann man sich auf traumatische Ereignisse vorbereiten? Kann sich ein Lokführer auf einen gesunden Umgang mit Schienensuizid vorbereiten? 4 Gründe, für Traumaprävention für Lokführer beschreibe ich in diesem Artikel.
1. Die hohe Wahrscheinlichkeit für Lokführer, an einem Personenunfall oder Schienensuizid beteiligt zu sein
Die Wahrscheinlichkeit, dass Lokführer in ihrem Berufsleben an einem Personenunfall oder Schienesuizid beteiligt sind, liegt in Deutschland bei durchschnittlich 2-3 Ereignissen. Diese Zahl ist hoch genug, um das Thema zu einem festen Bestandteil der Ausbildung zu machen.
Die Vorbereitung auf Ereignisse, die unser Leben aus dem Gleichgewicht bringen können, ist für jeden Menschen stärkend und gesundheitsfördernd. Insbesondere aber Berufsgruppen, die in besonderer Weise der Gefahr ausgesetzt sind, ein traumatisches Ereignis zu erleben, sollten die Vorbeugung stärker in den Fokus rücken. Neben Lokführern gehören beispielsweise auch Polizisten, Feuerwehrleute, Soldaten oder Notfallmediziner zum gefährdeten Personenkreis. Seelische Gesundheit fängt nicht beim Ersthelfer an. Eigene Handlungsmöglichkeiten werden aber noch viel zu häufig unterschätzt.
2. Der Unterschied zwischen einem traumatischen Ereignis und einem Trauma
Ein traumatisches Ereignis beschreibt ein konkret einschneidendes, belastendes Ereignis, das als extrem belastend und verstörend wahrgenommen wird, eine überstarke Reaktion auf etwas, das uns stark aus dem Gleichgewicht bringt. Ein Trauma ist die Folge eines derartigen Ereignisses, welches dann eintritt, wenn die Bewältigungsstrategien des Betroffenen nicht zu einer gesunden Verarbeitung führen und Folgeerscheinungen wie beispielsweise Ängste, Schlaflosigkeit, Alpträume, psychosomatische Beschwerden etc auftreten.
Was ist ein seelisches Trauma?
Traumaprävention für Lokführer
Ein Trauma ist das Ergebnis eines nicht gesund verarbeiteten traumatischen Ereignisses.
Ziel muss es also sein, unmittelbar das Bestmögliche für eine gesunde Verarbeitung zu tun und sich zugleich vor Einflüssen zu schützen, die hinderlich sind, den seelischen Heilungsprozess umgehend in Gang zu bringen. Nicht das Ereignis an sich ist das Problematische, sondern die möglicherweise im Anschluss nicht passenden Strategien, können beispielsweise eine Posttraumatische Belastungsreaktion auslösen. Wir haben selbst einen Einfluss auf unseren Heilungsprozess.
3. Die eingeschränkte Lernfähigkeit in Extremsituationen
Emotionale Extremsituationen schränken die kognitive Lernfähigkeit ein.
Unsere kognitive Verarbeitungsfähigkeit ist beeinträchtigt, wenn es um das „emotionale Überleben“ geht. Daher liegt es auf der Hand, dass belastende Situationen nicht die passenden Gelegenheiten sind, um sich Gedanken darüber zu machen, was jetzt gesund und was ungesund ist. Lernfähig, kreativ und zugänglich für unsere individuellen Strategien sind wir in Situationen, in denen es uns gut geht, wir sicher sind.
Prävention ist daher insbesondere in Bezug auf traumatische Ereignisse so bedeutsam.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Nichtschwimmer Schwimmen lernt, wenn das Boot kentert, ist ebenso gering wie die Wahrscheinlichkeit, dass ein Lokführer unmittelbar nach dem Ereignis die richtigen Strategien für sich herausfindet.
Der Nichtschwimmer wird irgendwie versuchen, sich über Wasser zu halten oder auf die Rettung durch die DLRG hoffen. Der Lokführer wird ähnlich planlos, intuitiv handeln oder auf den Ersthelfer warten.
Was wäre aber, wenn der Lokführer vorher gesunde Handlungsstrategien lernt und trainiert? Was wäre, wenn er vorher – ähnlich wie im Schwimmunterricht – „Trockenübungen“ im geschützen Rahmen macht und sich in seiner seelischen Belastbarkeit übt?
Ein Lokführer, der für sich selbst einen Rahmen und eine Vorstellung über die Ereignisse an sich und seine Handlungsmöglichkeiten hat, ist nicht allein darauf angewiesen, dass ein Ersthelfer kommt. Er kann dem Ersthelfer vielleicht noch gezielter die passenden Tipps geben, um die seelische Wundversorgung noch besser umzusetzen.
In belastenden Situationen ist aber nicht nur die Lernfähigkeit beeinträchtigt, sondern die Wahrnehmungsfähigkeit ist insgesamt „durcheinander“.
Es ist völlig normal, dass wir in unnormalen Situationen unnormal reagieren. Es kommt hinzu, dass eine starke Empfindsamkeit die gesamte Sinnenverarbeitung in ungewöhnlicher Weise schalten und walten lässt und die Erlebnisse, Äußerungen und Reaktionen in gewisser Weise „freies Spiel“ in uns haben. Aus diesem Grund ist es aber wichtig, möglichst früh mit der Wundversorgung zu beginnen. Doch darauf muss man sich vorbereiten.
4. Das Bedürfnis nach Selbstbestimmung
Der Mensch hat ein Grundbedürfnis nach Selbstbestimmung. Es ist sehr gesund, sich selbst in die Lage zu bringen, besondere Situationen zu meistern und möglicherweise sogar daran zu wachsen. Professionelle Angebote (Ersthelfer, Psychologen, Mediziner etc.) können punktuell unterstützend tätig sein und mit den richtigen Interventionen den Heilungsprozess beschleunigen.
Was ist vor und nach diesen Interventionen und Terminen?
- Was ist in der Zeit zwischen dem Ereignis und dem Eintreffen des Ersthelfers?
- Was ist in der Zeit zwischen der Begleitung durch den Ersthelfer und einem Gespräch mit einem Psychologen?
- Was ist danach?
„Sich selbst“ hat der Lokführer immer mit dabei. Niemand ist so nah am Geschehen dran, wie man selbst. Das kann man sich zunutze machen, indem man eigene Strategien trainiert, mit denen man selbst auch etwas anfangen kann.
So individuell wie wir Menschen sind, so individuell gehen wir auch mit besonderen Situationen um.
Wer sich gesund einschätzen kann, kann auch leichter die eigenen Grenzen erkennen und ist bereit, professionelle Hilfe anzunehmen. Aber auch das nur so viel wie nötig. Auch das ist gesund.
Fazit
Noch immer spielen Selbstschutzstrategien und Prävention in der westlichen Medizin eine unbedeutende Rolle. Seelische Gesundheit wird mehr oder weniger als ein Zufallsprodukt gesehen, auf das der einzelne Mensch insbesondere in stark belastenden Situationen nicht viel Einflussmöglichkeiten hat und erst nach einer Diagnose Interventionen folgen.
Traumaprävention für Lokführer sollte ein Schulungsangebot werden, das niemand mehr infrage stellt. Es ist selbstverständlich, dass Simulatorschulungen in der Lokführerausbildung hilfreich sind, um verschiedene Szenarien darzustellen und zu trainieren. Handlungssicherheit spielt bei der Eisenbahn eine wichtige Rolle. Dazu gehört auch die Handlungssicherheit in Bezug auf traumatische Ereignisse.
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2 Kommentare
Was für ein wichtiges Thema! Ich kenne die Problematik von meinem Vater, der über 40 Jahre bei der SBB gearbeitet hat – zwar nicht als Lokführer, aber doch mit dem Thema Personenunfall/Suizid beschäftigt.
Schön finde ich, wie du auch den Unterschied zwischen einem traumatischen Ereignis und einem Trauma hervorhebst – das kann so viel verändern! Und dann den Umgang damit präventiv zu trainieren: mega gut! Ich bin allgemein Fan von Prävention, so wertvoll, dass du das anbietest! 👏🏻
Vielen Dank! Ja, Prävention kommt in unserem Gesundheitssystem noch viel zu kurz, ganz besonders, wenn es um seelische Gesundheit geht. Ich freue mich sehr über dein Interesse am Thema Traumaprävention.