Über Gewohnheiten, Glaubenssätze und andere Laster
Warum Veränderungen nicht immer (leicht) möglich sind
„Werde in 100 Tagen der Mensch, der du immer sein wolltest.“
„In 3 Tagen zum Nichtraucher.“
„Gelange in nur 24 Stunden zu deinem Traumgewicht.“
Die Liste dieser oder ähnlicher Versprechungen könnte ich jetzt endlos fortsetzen. Und wenn mir die Ideen ausgehen würden, könnte ich bei Instagram und Co. weiter fündig werden. Veränderungen und Weiterentwicklung sind Grundbedürfnisse des Menschen und so werden wir durch Versprechungen auch magisch angezogen. Stillstand gibt es in der Natur nicht. Aber so einfach ist es trotzdem nicht. So schnell lassen wir uns nicht verändern bzw. ändern wir uns nicht. Warum ist das so? Ist es nicht auch gut so, dass es so ist? Warum es sich aber trotzdem lohnt, nach Wegen zur Veränderung und Weiterentwicklung zu suchen, das beschreibe ich in diesem Artikel:
Wie lange bleiben Gewohnheiten?
Stelle dir mal vor, der Mensch wäre nicht in der Lage, sich an irgendetwas zu gewöhnen. Alles wäre immer wieder neu? Wir müssten unsere Eindrücke ständig neu sortieren und bewerten und müssten alles immer wieder neu entscheiden. Der schnellste Weg zum Bäcker, die Morgenroutine, Hobbys (Schützenverein oder doch lieber Karneval?). Gewohnheiten sind wichtig, geben uns Sicherheit. In mühevoller Arbeit haben wir die eine oder andere erlernt, mal freiwillig, mal unfreiwillig. Müssten wir die Dinge immer wieder neu bewerten, würden wir wahrscheinlich verrückt werden.
Spannend wird es aber dann, wenn uns irgendetwas stört. wenn wir irgendetwas verändern wollen. Wenn ein Raucher möglicherweise zum Nichtraucher werden will (andersherum geht es meistens leichter 😉), man beruflich nochmal ganz anders durchstarten möchte oder beispielsweise nach 30 Jahren Gardasee mal im Norden des Landes Urlaub machen möchte.
Der 21-Tage-Mythos über Gewohnheiten:
Noch immer wird in Trainings manchmal davon gesprochen, dass der Mensch 21 Tage benötigt, um eine Gewohnheit zu verlieren und sich an etwas anderes zu gewöhnen. Diese 21 Tage-Regel ist wohl zurückzuführen auf einen Schönheitschirurgen Maxwell Maltz. Dieser fand heraus, dass es durchschnittlich 21 Tage dauert, bis sich ein Mensch an seine neue Nase gewöhnt.
Angeblich ist diese Zeitangabe auf einen Übersetzungsfehler zurückzuführen, in welchem aus der beschriebenen „habituation“ (Gewohnheit) eine „habit formation“ (Gewohnheitsbildung) entstanden ist. Ach ja, der Mensch liebt es eben, sich Komplexes leichter zu machen.
Aber natürlich ist diese Zahl nicht auf alles übertragbar. Natürlich ist es davon abhängig, wie stark eine Gewohnheit mit der eigentlichen Persönlichkeit und Identität verwoben ist. Es ist natürlich ein großer Unterschied, ob die Gewohnheiten mit oberflächlichen oder tiefgründigen Veränderungen verbunden sind.
- Wer beispielsweise plant, seinen Arbeitsweg anstelle mit dem Auto mit dem Zug zu zurückzulegen, muss sich vermutlich nicht so tiefgründig umgewöhnen, wie jemand, der direkt den Wohnort in eine neue Stadt verlegt.
- Wer sein Leben lang übergewichtig ist, kann sehr wahrscheinlich nicht so leicht das Gewicht dauerhaft verlieren wie jemand, der erst seit einer kurzen Zeit zugenommen hat.
- Wenn für eine Veränderung bestimmte Fähigkeiten erworben werden müssen oder gesundheitliche Aspekte berücksichtigt werden müssen, ist die zeitliche Dauer auch davon abhängig.
So einfach ist es also nicht, Gewohnheiten zu verändern. Zu viele individuelle Kriterien spielen dabei eine Rolle. Je stärker diese Kriterien sind, die der Veränderung entgegenstehen, desto mehr Power wird auch zumeist benötigt, dem etwas Neues entgegenzusetzen. Ein 50-jähriger, der seit dem 12. Lebensjahr Raucher ist, muss aller Wahrscheinlichkeit sehr umfänglich lernen, alltägliche Abläufe ohne die Zigarette zu meistern.
🙂 Hach: Aber bedauerlicherweise gibt es nicht einmal dafür eine Regel. Wie viel leichter wäre es doch, wenn wir alles so detailliert planen könnten?
❗️Ja, es gibt tatsächlich Menschen, die sich im fortgeschrittenen Alter sehr schnell das Rauchen abgewöhnt haben.
Die Kraft unserer Glaubenssätze
Was genau sind Glaubenssätze und was haben sie mit unseren Veränderungen zu tun? Glaubenssätze sind unsere geistigen Gewohnheiten. Was glauben wir über uns und andere? Wie denken wir über bestimmte Dinge, über uns selbst und die Möglichkeiten der Veränderung? Glaubenssätze sind innere Denkmuster, die in starker Weise unser Handeln beeinflussen, bewusst oder unbewusst. In gleicher Weise wie Gewohnheiten geben sie uns eine innere Struktur und dadurch auch Sicherheit, auch wenn diese Sätze nicht immer gesund sind. Einige Beispiele für Glaubenssätze sind:
- Ich muss etwas leisten, um geliebt zu werden.
- Andere Menschen können das viel besser als ich.
- Ich habe es nicht verdient, beruflich erfolgreich zu sein.
- Perfektionismus ist das wichtigste im Leben.
- Männer können viel besser…
- Frauen können viel besser…
Unabhängig davon, ob du diese Sätze als richtig oder falsch bewertest, geben sie einen inneren Rahmen. Wer zum Beispiel innerlich davon überzeugt ist, erst durch Leistung Liebe zu verdienen, wird danach streben, Leistung zu zeigen. Im Gegenzug wird es ihm aller Voraussicht nach sehr schwer fallen, ohne bestimmte Leistungen Anerkennung annehmen zu können oder geliebt zu werden.
Im Coaching spielen Glaubenssätze immer wieder eine große Rolle. Sich kritisch mit ihnen auseinanderzusetzen ist ein wichtiger Bestandteil unserer Veränderungsprozesse. Denn woher soll plötzlich das Selbstvertrauen kommen, wenn nicht durch die vorher erbrachten Leistungen? Dieses Loch kann man aber füllen bzw. unsere Autobahnen im Kopf können sich anders verschalten, damit das überhaupt möglich ist.
Und auch in Bezug auf Glaubenssätze gibt es keine Regel. Auch hier hängt eine Veränderung sehr stark davon ab, wie sehr ein Satz uns nur oberflächlich tangiert oder tiefgründig (von klein auf) prägt.
Wann und Warum sich Veränderungen trotzdem lohnen
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier – und sucht trotzdem den Wandel. Die Fähigkeit der Weiterentwicklung ist ein wichtiger Bestandteil des Menschen. Werden ungesunde Denk- oder Verhaltensmuster entlarvt, lohnt es sich sehr, dagegen zu steuern.
Glaubenssätze lassen sich – entgegen weitläufiger Meinung – zwar nicht „auflösen“, man kann ihnen aber etwas Gesundes entgegensetzen und wenn es sein muss, immer wieder.
Je stärker uns selbst der Sinn bewusst ist, warum wir an der einen oder anderen Schraube „drehen“ sollten, desto kreativer werden wir auch darin. Ebenso ist es mit unseren Gewohnheiten. Es ist nicht gesund, ständig das eigene Leben immer wieder aufs Neue auf den Kopf zu stellen. Sich jedoch in besonderen Lebensphasen an Neues heranzutrauen und sich auf Veränderungen einzulassen, lässt uns innerlich und äußerlich wachsen.
Das ist Leben.
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