Mein Motto 2024: Sensible Züge – Kraftvoll fahren
Anfang dieses Jahres fällt es mir gar nicht so leicht, mein Motto in Worte zu fassen. Es hat etwas gedauert, bis ich sie hatte, diese 4 Worte, die mein Jahr 2024 begleiten sollen: sensible Züge – kraftvoll fahren. Was aber meine ich damit? Natürlich will ich es mehrdeutig verstehen. Einerseits ist es ein ganz persönliches Motto für mich, andererseits beziehe ich es auf meine Themen, die ich in diesem Jahr an das System Eisenbahn richte.
Was das Motto persönlich für mich bedeutet:
Der Beginn des Jahres ist geprägt durch starke politische Unruhen. Mein Wunsch nach friedvoller Entwicklung ist dadurch stärker und zugleich ungewisser als je zuvor. Aus meinem Krisenmanagement weiß ich, dass Deeskalation aber gerade in schwierigen bzw. unruhigen Zeiten wichtiger ist, als in ruhigen Zeiten. Andererseits gestaltet sich dieses Ausgleichen immer schwieriger, je mehr eine Situation aus dem Ruder läuft. Anders gesagt:
Gerade jetzt ist Sensibilität wichtig
Es braucht klare Köpfe für richtige und gesunde Entscheidungen.
Zuerst brauchen wir eine geschärfte Wahrnehmung für uns selbst, dann für andere und schließlich auch für den Umgang mit den politischen Unruhen.
Meine besondere Sensibilität unterstützt mich sehr dabei, Menschen in ihrer Selbstwahrnehmung zu stärken und Veränderungsprozesse zu begleiten. Durch die wachsenden Unruhen wird mir immer mehr bewusst, wie bedeutsamer aber meine „sensiblen Züge“ werden und dass sie zugleich in Gefahr sind.
Daher steht es für mich fest, dass ich meinen „sensiblen Zügen“ trotz und gerade wegen dieser Unruhen Platz einräume und zudem andere ermutige, das ebenso zu tun. Noch lauter bzw. „kraftvoller“ will ich ermutigen, mir gleich zu tun.
Mein Motor: Die Sorge um unsere Demokratie
Im Deutschen Bundestag sitzen Abgeordnete, die Lösungsorientierung unterwandern und mit erschreckend lauter Offenheit populistisch agieren. Warum es Bürger gibt, die das mittragen, habe ich bereits in meinem Jahresrückblick zu verstehen versucht. Ja, die jahrelange „Empörung“ trägt Früchte und der Schrei nach Abgabe der Verantwortung wird in vielen Teilen der Bevölkerung lauter.
Ich kenne keine Staatsform, in der ich lieber leben möchte als in der Demokratie. Insbesondere schätze ich daran, dass der einzelne gefordert ist, diese Staatsform zu erhalten und mitzutragen. Ich schätze daran, dass der einzelne Bürger autark ist und seine Meinung äußern kann, Streitgespräche führen kann und die gemeinsame Lösungsorientierung ein wichtiger Wert ist. Anders gesagt: Selbstbestimmung ist für mich nicht nur persönlich, sondern auch politisch immens bedeutsam.
Äußere Einflüsse aber prägen uns zunehmend
Damit mir meine Sensibilität erhalten bleibt, bedeutet das für mich, dass Rückzug eine wachsende Bedeutung bekommt. Daher werde ich in diesem Jahr besonderen Fokus legen auf Zeiten, die frei sind von digitalen Medien und gefüllt sind mit Ritualen, die einen besonderen Wert haben und die Gesundheit stärken.
Ich werde noch genauer abwägen, ob/wann/wie ich mich mit einem Thema persönlich konfrontiere und noch gezielter den Fokus auf Lösungen legen. Ich werde noch deutlicher meine eigene Sensibilität zu schätzen wissen und auch anderen damit Kraft geben.
Mit Zeiten des Rückzugs meine ich übrigens nicht, dass ich mir eine rosarote Brille zulege und die Realität verharmlosen möchte oder mir alles schönreden bzw. schöndenken möchte. Nein, ich sehe lieber der Realität ins Auge! (Das ist übrigens auch gesund). Ich möchte aber meiner Selbstbestimmung eine besondere Bedeutung geben und entscheiden, wann ich mich fokussiere und wann eben nicht. Gerade jetzt ist ein gesunder Ausgleich so wichtig geworden.
Ja, in 2024 werde ich meinen sensiblen Zügen Raum geben und mit ihnen kraftvoll fahren…
Was das Motto für mich im System Eisenbahn bedeutet:
Ich möchte dazu beitragen, dass im System Eisenbahn menschliche Fähigkeiten und Einflüsse an Bedeutung gewinnen, möchte das Bewusstsein dafür weiter steigern. Gerade weil der Fokus in den vergangen Jahren so sehr auf die Technisierung gelegt wurde, wird der Mensch mit seinen Möglichkeiten zu wenig bedacht. Das führt allerdings vielfach zu Fehleinschätzungen und zum Verkennen der Potenziale, was eine große Bedeutung für die Sicherheit der Eisenbahn hat.
„sensible Züge“
Sensibilität beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, auf äußere und innere Reize zu reagieren, wach zu sein für Sinneseinflüsse (sehen, hören, riechen, fühlen, schmecken). Es beschreibt die Fähigkeit eines Menschen, auf emotionale, soziale und physische Reize empfindsam zu reagieren. Sensibilität ermöglicht es, Reize zu erkennen, zu interpretieren und in angemessener Weise auf Situationen zu reagieren. Es ist ein komplexes Zusammenspiel von fachlicher, emotionaler und sozialer Intelligenz.
Keiner wird infrage stellen, dass die oben beschriebenen Fähigkeiten eine wichtige Bedeutung haben, wenn es um das sichere Fahren von Zügen geht.
Aber wie sieht es in der Praxis aus?
Wieviel Bedeutung wird diesen menschlichen Fähigkeiten wirklich gegeben?
Manch einer mag jetzt vielleicht widersprechen mit dem Argument, dass das Sicherheitsmanagement im Bahnbetrieb eine große Bedeutung hat. Dieses ist darauf ausgerichtet, Sicherheit im Bahnbetrieb zu gewährleisten. Beschrieben sind dort strukturierte Prozesse, Richtlinien und Maßnahmen, um Sicherheitsgefahren zu erkennen und zu minimieren.
Prozessbeschreibungen alleine reichen aber doch nicht aus, um Sensibilität zu trainieren. Des Weiteren führt die wachsende Technisierung dazu, Prozesse zu automatisieren und den eigenen Kopf weniger zu gebrauchen. Was aber ist nun mit den menschlichen Fähigkeiten? Wie steht es um die Wahrnehmungsfähigkeit der beteiligten Menschen hinter dieser Technisierung? Was müssen wir tun, damit sich der Mensch die Fähigkeit bewahrt und stärkt, mit allen Sinnen seinen Job zu machen?
Viele Störungen sind von Menschen gemacht, denn am Ende wird es immer der Mensch sein, der die Technisierung steuert. Daher ist es aus meiner Sicht immer bedeutsamer, menschliche Potenziale wichtig zu nehmen.
Im Eisenbahnsystem gibt es hier viele Anknüpfungspunkte:
- Häufig wird Sensibilität leider noch immer viel zu sehr mit Schwäche in Verbindung gebracht und als Widerspruch zum ach so wichtigen Funktionieren betrachtet. Das hat meiner Ansicht nach aber den Preis, dass vielfach zu spät und nicht in sicherer Weise agiert wird.
- Bereits in der Ausbildung zum Lokführer müssen menschliche Faktoren gezielt geschult werden, angehende Lokführer ihre Selbstführung trainieren und sich mit einem gesunden Stressmanagement auseinander setzen. Das Erkennen und Überwinden eigener Grenzen ist ein so wichtiger Bestandteil für die Sicherheit.
- Wie können wir noch gezielter menschliche Grundbedürfnisse im Arbeitsalltag berücksichtigen? Hier denke ich beispielsweise an Bedürfnisse nach Regelmäßigkeiten im Tagesablauf, Gesunde Ernährung, Schlaf etc.
- Mit einer gehirngerechten und verständlichen Darstellung der Richtlinien und Regelwerke können wir nicht nur die Prozesse vereinfachen, sondern im Kopf entsteht Platz für eine verantwortungsbewusste Umsetzung. Anders gesagt: Ein Regelwerk ist nur so gut wie die Verständlichkeit der Darstellung. Da gibt es noch viel Luft nach oben. Aus meiner Sicht aber ein Weg, der sich nicht nur lohnt, sondern nötig ist.
„kraftvoll fahren“
Das Trainieren der Selbstwahrnehmung und eine stärkere Berücksichtigung menschlicher Faktoren dazu führt, dass nicht nur die Eisenbahnsicherheit in besonderer Weise gefördert werden kann, sondern auch der einzelne davon profitiert. Wir brauchen den Blick auf den Einzelnen, den ehrlichen Austausch und ganz sicher auch die eine oder andere strukturelle Änderung.
- Beispielsweise kann ein Lokführer, der erkennt, dass die eigene Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist und zugleich ein System hinter sich hat, das ihn in seiner Entscheidungsfähigkeit trägt, viel kraftvoller fahren, als ein Lokführer, von dem lediglich das „Funktionieren“ gefordert wird.
- Ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, das Wert darauf legt, in Pausenzeiten Erholung zu haben, wird Lokführer haben, die kraftvoller ihre Züge fahren können, als diejenigen, denen keine Zeit für das Einnehmen einer gesunden Mahlzeit möglich war. Kraftvoll fahren ist nur möglich, wenn Bedürfnisse berücksichtigt werden sollen und können.
Fazit:
Wir sind alle gefordert darin, in gesunder Weise auf uns und insbesondere auf unseren Kopf aufzupassen. Eine gesunde Selbsteinschätzung und Selbstführung ist ein wichtiger Betrag, um sensibel auf äußere und innere Einflüsse reagieren zu können. Kraftvoll bleiben wir dann, wenn wir uns die Fähigkeit behalten, auf Einflüsse zu reagieren. Sensibilität kann (und darf!) uns niemand abnehmen, keine Automatisierung, keine Technisierung, keine KI. Wer seinen eigenen Kopf erhalten will, muss ihn stetig im Training lassen. Insbesondere jetzt brauchen wir daher sensible Züge, um kraftvoll zu fahren – in beiderlei Hinsicht.
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