Nichtwissen: Eine Wissenschaft für sich
Was ist eigentlich besser: Nichtwissen oder Wissen?
Manchmal ist Nichtwissen ganz bestimmt sehr viel einfacher, denn mit Wissen ist irgendwie auch Verantwortung verbunden. Und dann gibt es ja noch Wissen, das immer „unnötiger“ wird, weil es von Künstlicher Intelligenz abgenommen wird, z.B. die Navigation im Auto oder Berechnungen/Analysen etc..
Immer schneller kommen wir an Informationen. Wann lohnt sich Wissen eigentlich noch?
Nichtwissen: Eine Wissenschaft für sich. Die Blogparade Nichtwissen von Susanne Wagner hat mich dazu angespornt, darüber etwas genauer nachzudenken. Auch wenn ich zu diesem Thema bestimmt vieles nicht weiß, schreibe ich hier mal meine Gedanken und an der einen oder anderen Stelle auch mein Wissen zu diesem Thema auf, ganz unwissenschaftlich:
Diese Themen findest du in diesem Blogartikel
Weißt du nur oder kannst du schon?
Woran erkennt man eigentlich, dass man etwas „weiß“?
Reicht es, eine bestimmte Information aufgeschnappt zu haben? Muss man diese erst mit eigenen Beispielen verknüpfen können oder in verschiedenen Situationen auch anwenden können?
Spannend wird es nämlich dann, wenn es um das Lernen geht bzw. um das Ziel, sich konkretes Wissen anzueignen. Da macht es Sinn, sich Lernprozesse genauer auszusehen, beispielsweise um mit der 4-Stufen-Methode in praktischen Ausbildungsberufe Ablauf zu strukturieren:
- Stufe: Vorbereiten und erklären
- Stufe: Vormachen und erklären
- Stufe: Nachmachen und erklären lassen
- Stufe: Vertiefen durch fehlerfreies Üben
Informationen reichen alleine nicht aus, sonst bleibt Wissen nur Theorie, nicht greifbar.
Praxis braucht nicht nur Übung, sondern erfordert auch Dranbleiben, damit das Wissen bleibt und wächst. Und so kommt man dann schrittweise vom Kennen zum Können. Das ist ein aufwändiger Prozess und das ist gut so.
Stelle man sich nämlich vor, Lernen wäre ein Klacks und würde nicht unsere aktive Mitarbeit erfordern. Was hätten wir dann alles schon für Ballast in unserem Gehirn und würden nicht mehr an das herankommen, was UNS wirklich wichtig ist? Mindset-Kritik hin oder her: Jeder einzelne hat Einfluss auf das, was sich so abspielt in seinem Gehirn und beeinflusst es ständig mit der Wahl der Informationen, mit denen er sich aktiv auseinandersetzt.
Das ist gar nicht so einfach in unserer schnelllebigen Zeit.
„wissen“ heißt nicht „verstehen“
Es gibt einen klaren Unterschied zwischen wissen und verstehen. Beides ist miteinander verbunden, doch beschreiben sie unterschiedliche Aspekte des kognitiven Prozesses.
Wissen bezieht sich in der Regel auf Fakten, Informationen und Kenntnisse. Es ist das, was wir lernen, auswendig lernen oder uns merken können. Es ist das, was wir in einem Test wiedergeben oder in einem Gespräch zitieren können.
Verstehen geht jedoch über das bloße Wissen hinaus. Es bedeutet, Zusammenhänge erkennen, Informationen einzuordnen und ein tieferes Verständnis für ein Thema zu entwickeln. Verstehen ist ein aktiver Prozess, bei dem wir Informationen nicht nur aufnehmen, sondern auch verarbeiten und mit unserem bestehenden Wissen verknüpfen. Es ist das, was uns ermöglicht, Probleme zu lösen, Entscheidungen zu treffen und neue Erkenntnisse zu gewinnen.
Ich weiß beispielsweise, dass
- es in den USA viele Trump-Anhänger gibt, aber ich verstehe es nicht.
- ein Gehirn ca. 100 Milliarden Nervenzellen hat. Ich kann mir diese Zahl aber nicht vorstellen.
Was ist der Unterschied zwischen Meinung und Wissen?
Die Frage danach, was der Unterschied zwischen Meinung und Wissen ist, wird meiner Meinung nach immer bedeutsamer.
Viele Informationen – insbesondere in den sozialen Medien – bauen auf Meinung auf und sind zumeist gar nicht oder werden oft nur einseitig wissenschaftlich betrachtet. Was ist eine Meinung und was ist Wissen überhaupt? Ich habe dazu mal das KI-Tool Gemini befragt:
„Meinung ist eine subjektive Überzeugung, die auf persönlichen Erfahrungen, Gefühlen oder Überzeugungen basiert. Sie ist nicht unbedingt an Fakten gebunden. Eine Meinung ist oft von persönlichen Präferenzen, Werten oder auch Vorurteilen beeinflusst.
Wissen hingegen ist eine objektivierbare Erkenntnis, die auf Fakten, Beweisen und logischen Schlussfolgerungen beruht. Wissen ist überprüfbar und strebt nach Wahrheit. Es ist weniger von persönlichen Gefühlen oder Überzeugungen abhängig.“
Meinung kann starr und unveränderbar bleiben.
Wissen hingegen muss sich wandeln und verändern können.
Nichtwissen gehört somit immer zum Wissen dazu.
Wissen entwickelt sich weiter. Durch weitere Erkenntnisse, Forschungen und Entwicklungen kommt Wissen hinzu und widerlegt manchmal andere Erkenntnisse. Wäre das nicht der Fall, würden wir heute noch wie Aristoteles (384 – 322 v. Chr.) von der „Klimaanlagen-Hypothese“ überzeugt sein und glauben, dass das Herz den Geist enthält und das Gehirn lediglich das Blut kühlt, das vom Herzen erhitzt wurde.
Es ist wichtig zu unterscheiden, wann etwas wirklich Wissen ist oder nur als solches dargestellt wird. Besonders gefährlich wird es natürlich dann, wenn absichtlich Fake News als Wissen dargestellt werden und der „Konsument“ den Unterschied nicht wahrnimmt und mit Scheinwissen durch die Welt läuft.
Aber wer macht das auch schon? Wer hinterfragt Informationen? Wer interessiert sich wirklich für die zugrunde liegenden Studien und Metastudien?
Deshalb ist es so wichtig, Meinung von Wissen zu unterscheiden und auch selbst in der Anwendung vorsichtig zu sein.
Wer Meinung nicht mit Wissen verwechselt, bleibt dialogfähig, interessiert an anderen Meinungen und damit auch demokratiefähig.
Beispiel:
„Ich bin der Meinung, dass Politiker xy schlechte Politik macht“, klingt anders als
„Politiker XY macht schlechte Politik.“
Variante 1 lässt noch Spielraum für Dialog zu, bei der Variante 2 wird das kritisch.
Nichtwissen schafft Neugier
Immer dann, wenn wir Erkennen, dass uns Wissen fehlt, haben wir die Chance unser Wissen aktiv zu gestalten und dazuzulernen. So großes Potenzial im Nichtwissen bzw. in der Wahrnehmung dessen.
Dem entgegen steht ein anderes Phänomen, der Dunning-Kruger-Effekt, welches beschreibt, dass Menschen mit geringen Kenntnissen in einem bestimmten Bereich dazu neigen, ihre eigenen Fähigkeiten in diesem Bereich stark zu überschätzen. Menschen, die wenig Ahnung haben, glauben oft, dass sie viel mehr wissen als sie tatsächlich tun. Das widerum ist gefährlich, macht Menschen leichter manipulierbar.
Es ist daher gesund, sich Nichtwissen zu erlauben oder auch in Neugier zu verwandeln. Das hält unseren Geist lebendig.
Wissen ersetzt keine Selbstwahrnehmung
In Bezug zu meinem Thema Gesundheitsprävention möchte ich diese Liste noch um diesen Aspekt ergänzen:
Wissen allein reicht nicht aus, um gesund zu leben.
Obwohl das Wissen im Gesundheitsbereich stetig wächst, leben Menschen nicht gesünder.
Es braucht noch etwas anderes, Körper, Seele und Geist gesund zu halten. Ein Aspekt (und das ist ganz bestimmt nicht der einzige) ist die Selbstwahrnehmung, das im Kontakt-Bleiben mit sich und den eigenen Bedürfnissen. Andere nennen es Intuition. Wie auch immer. Unser Gehirn braucht mehr als Informationen, um gesund arbeiten zu können. Das ist nicht nur individuell unterschiedlich, sondern ändert sich beim einzelnen Menschen auch stetig.
Es reicht beispielsweise nicht aus zu wissen, dass
- Lebensmittel eine thermische Wirkung haben. Um dieses Wissen verwerten zu können, muss der Mensch Anzeichen von innerer Hitze und Kälte wahrnehmen, um passend reagieren zu können.
- Eiweiß/Proteine nicht nur für den Muskelaufbau, sondern für den gesamten Organismus notwendig sind und auch das seelische und körperliche Immunsystem diese Bausteine braucht, sondern die Ernährung muss tatsächlich darauf ausgerichtet sein, wenn Nahrung nähren soll.
- Dauerstress krank macht, sondern man ist in belastenden Situationen auch herausgefordert, passende Strategien zu erkennen und umzusetzen.
- Coaching ohne Auftrag unprofessionell ist und sogar kontraproduktiv sein kann, sondern man muss auch dementsprechend handeln und Wissen zurückhalten können.
Um die Selbstwahrnehmung, das regelmäßige „Abchecken“ und um das stetige Herausfinden „eigener und passender Lösungen“ kommen wir also nicht drumherum – und das ist gut so.
Das macht uns zu Menschen.
Einblicke in mein Nichtwissen:
Hast du schonmal darüber nachgedacht, was du alles nicht weißt?
Eigentlich prahlt der Mensch ja lieber mit Wissen als mit Nichtwissen. Und wer stellt sich schon gerne als ahnungslos dar? Ich habe mal darüber nachgedacht und es ist mir gar nicht leichtgefallen. Das macht man schließlich nicht so oft. Aber in der Tat: Es gibt viele Bereiche, in denen ich mich nicht auskenne, in denen ich wenig oder kein Wissen habe, weil ich es entweder nicht gelernt oder wieder vergessen habe, z.B.:
Ich weiß heute nicht,
- wie viele Seiten das gesamte Regelwerksystem der Eisenbahn hat,
- wie chemische Formel zusammengesetzt werden,
- wie man schnell Sudoku löst,
- wie man mit Origami eine Krähe faltet,
- wie eine Sternschnuppe entsteht
- wie man eine Rose am besten schneidet
- ob der Mensch wirklich für die meiner Meinung nach beste Staatsform Demokratie geschaffen ist,
- …nein, ich höre jetzt auf…
Es macht demütig darüber nachzudenken,
was man alles nicht weiß.
Jeder Mensch könnte eine solche Nichtwissenliste erstellen, eine endlose Liste…und am Ende wäre sie immer länger als die „Wissensliste“.
Das sollte uns immer bewusst sein, im Umgang mit uns selbst und mit anderen…
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2 Kommentare
Liebe Marion
Herzlichen Dank für deinen Beitrag zu meiner Blogparade #NichtWissen. Wie spannend und anregend, deine Gedanken ums Nichtwissen zu lesen! Toll sind die Beispiele, die du bei jedem Abschnitt machst, da weiss ich ganz handfest, was du meinst und weisst.
Ja, wir beschäftigen uns lieber mit unserem Wissen als mit unserem Nichtwissen. Danke, dass du mit deinem Beitrag einen Anstoss dazu gibst, dem Nichtwissen seinen berechtigten – finde jedenfalls ich – Raum zu geben, damit es als Entwicklungs- und Differenzierungsdünger wirken kann.
Gruss
Susanne
Nichtwissen als Entwicklungs- und Differenzierungsdünger! Das gefällt mir, liebe Susanne. Eine solche Einstellung hat auch einen enormen Einfluss auf unsere Fehlerkultur.